KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

Die Debatte zum Zuschauen.

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KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#1

Beitrag von Bares »

Hallo,

es geht in die zweite Runde. :-D Diesmal hat @Blechmann das Thema vorgegeben. Sobald die Liste der User mit Schreibrechten eingetroffen ist, kann es dann auch losgehen. Die Debatte geht dann bis kommenden Sonntag.
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Blechmann
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#2

Beitrag von Blechmann »

Als Polarität wird in der Politikwissenschaft die Verteilung von Macht auf Staaten beschrieben.
Beim Vorhandensein von mehr als zwei Staaten mit ähnlichen Machtpotentialen spricht man von Multipolarität.
~ Wikipedia

Der unvermeidliche Untergang der "unipolaren Weltordnung" wird von Russland und China gerne argumentativ ins Feld geführt. Frei nach dem Motto der Borg: "Widerstand ist zwecklos!" Aber auch linke und rechte Denker glauben an diese Zukunftsvision wie bspw. Richard David Precht oder Herfried Münkler. Letzterer geht davon aus, dass die Phase der unipolaren Weltordnung beendet ist und eine von fünf Großmächten dominierte Weltordnung am Entstehen sei: USA, EU, Russland, China und Indien.

Diskutieren möchte ich, ob die beiden Recht haben, dass die multipolare Weltordnung unvermeidlich kommt, und wie der Westen sich dazu verhalten sollte.

Ich selber glaube nicht an die Multipolare Weltordnung. Die wahrscheinliche Entwicklung ist eine Bipolare Weltordnung. Der Abstieg der USA wird oft an ihrem Anteil am Welt-BIP festgemacht. Dieser ist von rund 50% um 1950 auf rund 25% heute gesunken. Hier wird aber ausgeblendet, dass ein Teil der Verluste auf die Verbündeten der USA übergegangen ist, deren Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg am Boden lag. Ich vermute, dass die EU keinen eigenen Pol bilden wird, sondern sich dem amerikanische Pol anschließen wird. Wodurch die USA ihre Machtstellung im Wesentlichen wahren können. Sollte der "Westen" dagegen tatsächlich in konkurrierende Pole zerfallen, ist eine Multipolare Welt deutlich wahrscheinlicher.

Russland und Indien sehe ich nicht als eigene Pole. Womit China als der andere Pol der bipolaren Weltordnung verbleibt. Ganz ähnlich der Welt im kalten Krieg.

Wie der Westen darauf reagieren sollte, ist schwierig zu sagen. Precht, aber auch andere meinen: da der Abstieg des Westens und die multipolare Weltordnung sowieso unvermeidlich kommen werden, sollte der Westen sich damit arrangieren. Die Änderung der Machtverhältnisse möglichst reibungslos gestalten. Was konkret wohl heißt: China Taiwan überlassen, Russland die Ost-Ukraine, und sich statt sinnlosen Machtkämpfen lieber dem Kampf gegen den Klimawandel widmen.

In dieser Frage bin ich zwiegespalten, denn prinzipiell ist der Gedanke schon richtig, dass der Kampf um Macht und Rangordnung die Menschheit nicht wirklich weiterbringt. Allerdings, dass Appeasement-Politik zu einem friedlichen Miteinander führt, ist keineswegs sicher.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#3

Beitrag von Alter Stubentiger »

Das mit den Mächten ist nicht mehr so einfach. Die großen militärischen Mächte werden in Zukunft die USA und China sein. Die großen wirtschaftlichen Mächte werden in Zukunft die EU, China, USA und Indien sein. Russland wird nach dem Ukrainekrieg in jedem Fall keine Rolle mehr spielen. Es ist als Markt für die großen Wirtschaftsmächte uninteressant und unberechenbar. Da investiert keiner. Selbst China nicht.

Alle Mächte haben mit großen inneren Problem zu kämpfen. Ihre Macht könnte aus inneren Verwerfungen heraus schneller zerbrechen als einige denken.
Gerade China und Indien leben derzeit vom Export in den Westen. Aber der Preis für diesen Erfolg könnte sich als zu hoch erweisen. Nur mit billiger Arbeit und niedrigen Umweltstandards kann der Erfolg nicht nachhaltig sein. Es ist vieles sehr unklar im Moment.
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Skeptiker
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#4

Beitrag von Skeptiker »

Die Frage wieviele Pole die Welt hat, hängt im Kern davon ab, hinter wievielen Interessen die Staaten sich versammeln lassen.

Da sieht - trotz protektionistischer Verstimmungen - der Westen eher noch geschlossen aus. Da ist die Vorstellung von demokratischen säkularem Staatsmodell vorherrschend, und noch wird man durch den Wohlstand in eine Gemeinschaft gepresst.

Die BRISC-Staaten scheinen in meinen Augen eher durch die Opposition gegen den Westen geeint, als durch eigene positive Ideale. China und Indien sind strikt verfeindet. Auch Russland und China lächeln ihren Konflikt um Sibirien eher weg, als dass dieser nicht bestünde. Ob Brasilien sich wirklich mit autoritären und kollektivistischen Staaten wie Russland und China identifiziert, oder ob da schlicht die wirtschaftliche Strategie dahinter steht? Argentinien hat abgeleht sich zu den BRISC zu gesellen.

Zwar wird Putin nicht leise zu betonen, dass hinter den BRISC mehr Menschen und mehr Wirtschaftskraft stehen als hinter USA und EU, aber dennoch wirken sie auf mich eher etwas unglücklich zusammengenäht.

Daher tendiere ich auch eher dazu, dass es insgesamt eher zu einer mehrpolaren Welt kommen wird, weil auch die islamische Welt einen Player darstellt, und Indien mit Russland eher gegen China stehen werden, sobald Indien auch nur halbwegs China als Lieferant ersetzen kann.

Auf Dauer sehe ich die folgenden Blöcke:
Der Westen
Russland mit Assoziierten (insbesondere Indien)
China mit Assoziierten (vielfach afrikanische Staaten, Südostasien)
Die islamische Welt (ohne nennenswerte wirtschaftliche Macht, aber als große gesellschaftliche Spaltaxt der Welt)

Südamerika wird sich entscheiden müssen wohin es gehört. Kriegt Argentinien die Kurve, dann könnte der Westen gestärkt werden.
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Sittingnull
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#5

Beitrag von Sittingnull »

Das Mittelmeer zur Zeit Christi Geburt war eine unipolare Region. Ab ca. 200 n. Chr. begann sich das zu ändern. In anderen Großregionen, Persien, Indien oder China genauso.
Es ist ein Wechsel zwischen wenigen Polen und vielen Polen.
Streite dich nie mit einem Dummkopf. Es könnte sein, dass die Zuschauer den Unterschied nicht bemerken. Mark Twain
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#6

Beitrag von Bares »

Im Fußball sagt man so gerne, es gibt keine Zwerge mehr. ;) Ganz allgemein kann man in vielen Bereichen im 20. und 21.Jahrhundert beobachten, dass an der Spitze immer mehr Länder mit einer ähnlichen Leistung oder Leistungsfähigkeit auftauchen. Insbesondere in der Wirtschaft und das was man BIP oder GDP nennt. Da finde ich es auch nicht so verwunderlich, dass ein Land alleine nicht mehr ein Großteil der Macht konzentrieren kann. Egal ob man das jetzt als gut oder schlecht ansieht, es scheint ein generelles Muster zu sein, dass die Machtkonzentration sich auf mehr "Player" verteilt.

Die Frage wäre allerdings, was versteht man genau unter einer multipolaren Weltordnung? Ist es eine Weltordnung, wo viele Player mitbestimmen oder sind es mehrere Weltordnungen, die nebeneinander existieren? Weil je nachdem um welches Thema es geht, scheint mal das eine, mal das andere zu gelten. Mal möchte man, dass wir uns an denselben Regeln ausrichten, wie beispielsweise an der UN-Charta und die von verschiedenen Mächten gestaltet werden. Mal möchte man, dass jede Macht seine eigenen Regeln hat und nach diesen leben will, siehe den Krieg in der Ukraine.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 14:49 Der unvermeidliche Untergang der "unipolaren Weltordnung" wird von Russland und China gerne argumentativ ins Feld geführt. Frei nach dem Motto der Borg: "Widerstand ist zwecklos!" Aber auch linke und rechte Denker glauben an diese Zukunftsvision wie bspw. Richard David Precht oder Herfried Münkler. Letzterer geht davon aus, dass die Phase der unipolaren Weltordnung beendet ist und eine von fünf Großmächten dominierte Weltordnung am Entstehen sei: USA, EU, Russland, China und Indien.

Diskutieren möchte ich, ob die beiden Recht haben, dass die multipolare Weltordnung unvermeidlich kommt, und wie der Westen sich dazu verhalten sollte.
Wie gesagt, das kommt darauf an, ob die Weltordnung noch auf denselben Regeln fußt, oder jede Macht seine eigenen Regeln machen will. Ich hoffe ja ehrlich gesagt, das Ersteres gilt, bzw. dass das weiterhin angestrebt wird. Denn wir brauchen im gegenseitigen Miteinander eine Basis, auf die man sich verständigen kann. Da habe ich auch kein Problem damit, wenn Russland und China an diesen Regeln mitschreiben wollen.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 14:49 Ich selber glaube nicht an die Multipolare Weltordnung. Die wahrscheinliche Entwicklung ist eine Bipolare Weltordnung. Der Abstieg der USA wird oft an ihrem Anteil am Welt-BIP festgemacht. Dieser ist von rund 50% um 1950 auf rund 25% heute gesunken. Hier wird aber ausgeblendet, dass ein Teil der Verluste auf die Verbündeten der USA übergegangen ist, deren Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg am Boden lag. Ich vermute, dass die EU keinen eigenen Pol bilden wird, sondern sich dem amerikanische Pol anschließen wird. Wodurch die USA ihre Machtstellung im Wesentlichen wahren können. Sollte der "Westen" dagegen tatsächlich in konkurrierende Pole zerfallen, ist eine Multipolare Welt deutlich wahrscheinlicher.

Russland und Indien sehe ich nicht als eigene Pole. Womit China als der andere Pol der bipolaren Weltordnung verbleibt. Ganz ähnlich der Welt im kalten Krieg.
Ich glaube nicht, dass China die Rolle der Sowjetunion übernehmen wird. China ist wirtschaftlich und politisch mächtig, aber es hat keine Partner an seiner Seite, die sich für sie aufopfern würden. Selbst Russland nicht. Und umgekehrt auch nicht. Der Ostblock damals war eine Machtkonstrukt, wo sich, wenn es hart auf hart gekommen wäre, die Länder in Osteuropa für die Sowjetunion aufgeopfert hätten. Das hat China nicht und strebt es wohl auch nicht an. Man will zwar in vielen Ländern mitmischen und gute Beziehungen haben, aber China würde nicht so weit gehen und sagen, wir bestimmen und ihr folgt. Die existierenden Machtstrukturen sind viel subtiler und indirekter.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 14:49 Wie der Westen darauf reagieren sollte, ist schwierig zu sagen. Precht, aber auch andere meinen: da der Abstieg des Westens und die multipolare Weltordnung sowieso unvermeidlich kommen werden, sollte der Westen sich damit arrangieren. Die Änderung der Machtverhältnisse möglichst reibungslos gestalten.
Dem würde ich erstmal nicht widersprechen. Weil im 21.Jahrhundert eine gewisse Rückständigkeit nicht automatisch bedeutet, dass man von den Nachbarn geschluckt wird oder wir irgendwann nur noch chinesische Flaggen hier wehen haben werden. ;) Man kann sich durchaus mit den anderen Ländern arrangieren.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 14:49 Was konkret wohl heißt: China Taiwan überlassen, Russland die Ost-Ukraine, und sich statt sinnlosen Machtkämpfen lieber dem Kampf gegen den Klimawandel widmen.
Das halte ich für die falschen Schlussfolgerungen daraus. Denn zum einen, Taiwan wird sich nicht freiwillig ergeben und dann wird die Frage sein, wie positionieren wir uns? Dasselbe auch mit der Ukraine. Die Einstellung, macht was ihr wollt, wir stören euch dabei nicht, funktioniert nämlich in einer multipolaren Welt immer weniger, weil alles mit allem verbunden ist und wir von den Ereignissen auch in Taiwan beeinflusst werden (Stichwort, High-Tech-Produktion). Eine multipolare Welt bedeutet auch komplexere Interessenslagen. Ein Angriff auf Taiwan wäre keine rein chinesische Angelegenheit mehr, als vielleicht noch kurz nach dem 2.Weltkrieg, sondern hätte massive Auswirkungen auf die gesamte Welt, also wird auch die gesamte Welt mit China und Taiwan darüber reden wollen, was da genau passiert. Und so ist es auch in der Ukraine. Das was da passiert hat Einfluss auf die ganze Welt, Getreidelieferungen, höhere Rüstungsausgaben, große Flüchtlingsströme. Eine multipolare Welt bedeutet nach meiner Ansicht konsequent gedacht, dass viele Länder nicht nur eine Meinung zu diesen Konflikten haben, sondern auch mitsprechen wollen und werden. Die Zeiten, wo es uns egal war, wer irgendwo in der Welt wen angreift, sind vorbei.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 14:49 In dieser Frage bin ich zwiegespalten, denn prinzipiell ist der Gedanke schon richtig, dass der Kampf um Macht und Rangordnung die Menschheit nicht wirklich weiterbringt. Allerdings, dass Appeasement-Politik zu einem friedlichen Miteinander führt, ist keineswegs sicher.
Da bin ich wieder bei den Regeln. Man kann den Kampf um Macht durchaus so gestalten, dass nicht mehr Schaden als Nutzen entsteht. Nimm nur den Kampf um wirtschaftliche Macht. Sie hat auf unsere Zeit bezogen, global gesehen durchaus mehr Nutzen als Schaden gebracht. Aber dieser Kampf muss gestaltet werden. Von mir aus auch durch multipolare Kräfte.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#7

Beitrag von Blechmann »

Skeptiker hat geschrieben: 12. Aug 2024, 18:21Die Frage wieviele Pole die Welt hat, hängt im Kern davon ab, hinter wievielen Interessen die Staaten sich versammeln lassen.
Mit Machtpolen sind einzelne Staaten gemeint (siehe Wiki).
Zwar wird Putin nicht leise zu betonen, dass hinter den BRISC mehr Menschen und mehr Wirtschaftskraft stehen als hinter USA und EU, aber dennoch wirken sie auf mich eher etwas unglücklich zusammengenäht.
Aber nur nach Kaufkraftparität. In realem BIP hat der Westen über 50% des Welt BIP. Ich habe ehrlich gesagt Zweifel, ob das Kaufkraft-Parität-BIP überhaupt Relevanz hat in der Machtfrage. Sagen wir Indien produziert 100 Millionen Häuser pro Jahr, also Hütten aus Lehmziegeln. Ein Haus in den USA kostet so 100.000$. Wenn also Indien 100 Mio Häuser baut pro Jahr, haben sie dadurch ein kaufkraft-bereinigtes BIP von 10 Billionen Dollar. Nur was sagt das über die Wirtschaftskraft Indiens aus? Die Häuser sind auf dem Weltmarkt ja unverkäuflich.
Russland mit Assoziierten (insbesondere Indien)
Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Indien wird sich nicht mit Russland assoziieren. Schon weil Russland mit Indiens Erzrivalen - China und Pakistan - kungelt.
Südamerika wird sich entscheiden müssen wohin es gehört. Kriegt Argentinien die Kurve, dann könnte der Westen gestärkt werden.
Ich denke das Brasilien letztendlich für die USA optieren wird, sollte es hart auf hart kommen.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#8

Beitrag von Blechmann »

Sittingnull hat geschrieben: 12. Aug 2024, 19:11 Das Mittelmeer zur Zeit Christi Geburt war eine unipolare Region. Ab ca. 200 n. Chr. begann sich das zu ändern. In anderen Großregionen, Persien, Indien oder China genauso.
Es ist ein Wechsel zwischen wenigen Polen und vielen Polen.
Aber wir reden von politischen Zeiträumen, also Jahrzehnten, nicht von historischen Zeiträumen, also Jahrhunderten.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#9

Beitrag von Sittingnull »

Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:27 Aber wir reden von politischen Zeiträumen, also Jahrzehnten, nicht von historischen Zeiträumen, also Jahrhunderten.
In seinem Buch Arm und Reich berechnete Landes die Zeit, ab wann China die USA überholen könnte. Ich glaube, er kommt da suf 100 bis 200 Jahren.

Auch in unserer schnelllebigen Zeit verändern sich Machtverhältnisse nicht so schnell.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#10

Beitrag von Blechmann »

Bares hat geschrieben: 12. Aug 2024, 19:35Die Frage wäre allerdings, was versteht man genau unter einer multipolaren Weltordnung? Ist es eine Weltordnung, wo viele Player mitbestimmen oder sind es mehrere Weltordnungen, die nebeneinander existieren? Weil je nachdem um welches Thema es geht, scheint mal das eine, mal das andere zu gelten. Mal möchte man, dass wir uns an denselben Regeln ausrichten, wie beispielsweise an der UN-Charta und die von verschiedenen Mächten gestaltet werden. Mal möchte man, dass jede Macht seine eigenen Regeln hat und nach diesen leben will, siehe den Krieg in der Ukraine.
Kann beides sein. So wie im kalten Krieg, als die UDSSR am Weltmarkt nicht teilgenommen hat. Oder so wie jetzt in der Globalisierung.
Wie gesagt, das kommt darauf an, ob die Weltordnung noch auf denselben Regeln fußt, oder jede Macht seine eigenen Regeln machen will. Ich hoffe ja ehrlich gesagt, das Ersteres gilt, bzw. dass das weiterhin angestrebt wird. Denn wir brauchen im gegenseitigen Miteinander eine Basis, auf die man sich verständigen kann. Da habe ich auch kein Problem damit, wenn Russland und China an diesen Regeln mitschreiben wollen.
Ich schon. Denn wenn Russland und China an den Regeln mitschreiben heißt das ja, dass Interessensphären legitim sind, und Eroberungen von Land in der Interessensphäre. Hängt natürlich davon ab, wo die Interessensphären gezogen werden, ob die EU sich damit arrangieren kann.
Ich glaube nicht, dass China die Rolle der Sowjetunion übernehmen wird. China ist wirtschaftlich und politisch mächtig, aber es hat keine Partner an seiner Seite, die sich für sie aufopfern würden. Selbst Russland nicht. Und umgekehrt auch nicht. Der Ostblock damals war eine Machtkonstrukt, wo sich, wenn es hart auf hart gekommen wäre, die Länder in Osteuropa für die Sowjetunion aufgeopfert hätten.
Die Satellitenstaaten im Ostblock waren militärisch und machtpolitisch bedeutungslos. Die hatten alle zusammen nicht annähernd das Gewicht von Deutschland.
Das halte ich für die falschen Schlussfolgerungen daraus. Denn zum einen, Taiwan wird sich nicht freiwillig ergeben und dann wird die Frage sein, wie positionieren wir uns?
Doch. Ich denke, die werden sich ergeben, wenn klar ist, dass sie keine Unterstützung bekommen. "Der Bambus biegt sich im Sturm", oder wie ging dieser Spruch?
Dasselbe auch mit der Ukraine. Die Einstellung, macht was ihr wollt, wir stören euch dabei nicht, funktioniert nämlich in einer multipolaren Welt immer weniger, weil alles mit allem verbunden ist und wir von den Ereignissen auch in Taiwan beeinflusst werden (Stichwort, High-Tech-Produktion). Eine multipolare Welt bedeutet auch komplexere Interessenslagen. Ein Angriff auf Taiwan wäre keine rein chinesische Angelegenheit mehr, als vielleicht noch kurz nach dem 2.Weltkrieg, sondern hätte massive Auswirkungen auf die gesamte Welt, also wird auch die gesamte Welt mit China und Taiwan darüber reden wollen, was da genau passiert.
Das ist China doch egal, ob die "gesamte Welt" mit ihm reden will. Das sind innere Angelegenheiten. Wer Stress macht, kriegt chinesische Wirtschaftssanktionen und wer keinen Stress macht, wird belohnt, mit billigen Computerchips aus Taiwan. Außer den USA wird niemand sich mit China anlegen, wegen einer Insel vor Chinas Küste.
Und so ist es auch in der Ukraine. Das was da passiert hat Einfluss auf die ganze Welt, Getreidelieferungen, höhere Rüstungsausgaben, große Flüchtlingsströme. Eine multipolare Welt bedeutet nach meiner Ansicht konsequent gedacht, dass viele Länder nicht nur eine Meinung zu diesen Konflikten haben, sondern auch mitsprechen wollen und werden.
Ja die sprechen doch jetzt schon mit. "Der Westen ist schuld an dem Konflikt. Stell dich nicht so an, Ukraine und rück die paar Provinzen raus. Wir wollen wieder billiges Öl, Gas und Getreide haben." Multipolare Welt bedeutet, dass jeder Staat schauen wird, welche Interessen habe ich in dem Konflikt, was schadet es mir, wenn der Donbaz zu Russland gehört? Und dem entsprechend handeln sie dann.
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Blechmann
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#11

Beitrag von Blechmann »

Sittingnull hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:33In seinem Buch Arm und Reich berechnete Landes die Zeit, ab wann China die USA überholen könnte. Ich glaube, er kommt da suf 100 bis 200 Jahren.
Oha. Wenn China seine Geburtenrate von 1,1 bis dahin hält, leben da in 200 Jahren noch 20 Millionen Leute oder so. :grin: Dann wirds nix mehr mit der Weltherrschaft.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#12

Beitrag von Bares »

Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:20 Aber nur nach Kaufkraftparität. In realem BIP hat der Westen über 50% des Welt BIP. Ich habe ehrlich gesagt Zweifel, ob das Kaufkraft-Parität-BIP überhaupt Relevanz hat in der Machtfrage. Sagen wir Indien produziert 100 Millionen Häuser pro Jahr, also Hütten aus Lehmziegeln. Ein Haus in den USA kostet so 100.000$. Wenn also Indien 100 Mio Häuser baut pro Jahr, haben sie dadurch ein kaufkraft-bereinigtes BIP von 10 Billionen Dollar. Nur was sagt das über die Wirtschaftskraft Indiens aus? Die Häuser sind auf dem Weltmarkt ja unverkäuflich.
Ich sag mal Lage - Lage - Lage. ;) Eine Anzahl von Häusern wird ja dann wertvoll, wenn sie sich dort befinden, wo die Nachfrage und die Kaufkraft hoch ist.

Ich finde den Blick auf das BIP oder noch besser auf deren Entwicklung schon einen wichtigen Anhaltspunkt, denn mit wirtschaftlicher Macht ist durchaus auch politische Macht verbunden. Letztlich ist auch der Staatssozialismus an seiner wirtschaftlichen Ineffizienz gescheitert. Ich habe überlegt, ob ich in die Diskussion eines dieser animierten Videos reinstelle, wie sich das BIP (oder im englischsprachigen Raum GDP) in den letzten Jahrzehnten in den wichtigsten Ländern entwickelt hat. Ich finde man bekommt schon einen Eindruck, warum die USA insbesondere in der Nachkriegszeit in der westlichen Welt so dominant war.


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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#13

Beitrag von Bares »

Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:53 Kann beides sein. So wie im kalten Krieg, als die UDSSR am Weltmarkt nicht teilgenommen hat. Oder so wie jetzt in der Globalisierung.

Ich schon. Denn wenn Russland und China an den Regeln mitschreiben heißt das ja, dass Interessensphären legitim sind, und Eroberungen von Land in der Interessensphäre. Hängt natürlich davon ab, wo die Interessensphären gezogen werden, ob die EU sich damit arrangieren kann.
Das ist jetzt natürlich die Frage, ob Russland und insbesondere auch China dann bereit wären, die Interessensphären der USA oder der EU genauso zu respektieren. Zum Beispiel wenn die USA sagt, dass Taiwan in ihrer Sphäre liegt, weil das Land den westlichen Wohlstand mit seinen High-Tech-Produkten sichert. Das ist ja auch der Punkt bei gemeinsamen Spielregeln, sie müssten schon für alle gelten. Umgekehrt heißt das aber auch, dass man Russland und China Dinge zugestehen müsste, die man auch für den Westen beansprucht. Ich sage ja nicht, dass es leicht ist, gemeinsame Regeln zu finden, mit denen allen leben können. Man sieht ja schon, wie schwierig das bei einer unbedeutenden Sache wie einem Diskussionsforum ist. ;)
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:53 Die Satellitenstaaten im Ostblock waren militärisch und machtpolitisch bedeutungslos. Die hatten alle zusammen nicht annähernd das Gewicht von Deutschland.
So kann man das auch nicht sagen. Zum einen war das eine Pufferzone für die Sowjetunion und zum anderen profitierte man auch von den wirtschaftlichen Fähigkeiten dieser Staaten und auch von einigen Rohstoffen, z.B. Uran.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:53Das ist China doch egal, ob die "gesamte Welt" mit ihm reden will. Das sind innere Angelegenheiten. Wer Stress macht, kriegt chinesische Wirtschaftssanktionen und wer keinen Stress macht, wird belohnt, mit billigen Computerchips aus Taiwan. Außer den USA wird niemand sich mit China anlegen, wegen einer Insel vor Chinas Küste.
Wenn es ihnen egal wäre, würde China nicht ihre Außenpolitik fahren, die durchaus auf gegenseitige Verständigung beruht und Zugang zu den Weltmärkten.
Blechmann hat geschrieben: 12. Aug 2024, 22:53Ja die sprechen doch jetzt schon mit. "Der Westen ist schuld an dem Konflikt. Stell dich nicht so an, Ukraine und rück die paar Provinzen raus. Wir wollen wieder billiges Öl, Gas und Getreide haben." Multipolare Welt bedeutet, dass jeder Staat schauen wird, welche Interessen habe ich in dem Konflikt, was schadet es mir, wenn der Donbaz zu Russland gehört? Und dem entsprechend handeln sie dann.
Diese "die" ist mir jetzt zu pauschal. ;) International gibt es zum Ukraine-Krieg schon unterschiedliche Ansichten. Ich sags mal so, Länder wie Georgien, Moldawien, aber auch Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan schauen sich schon genau an, was Russland mit der Ukraine macht. Wiederum fragt sich Syrien Assad, ob er noch mit Putins Unterstützung rechnen kann, wenn dieser mitten im Ukraine-Krieg steckt. Usw. Multipolar heißt eben auch viele einzelne Interessen und Befürchtungen, die zum Tragen kommen.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#14

Beitrag von Alter Stubentiger »

Bares hat geschrieben: 12. Aug 2024, 23:12 Ich sag mal Lage - Lage - Lage. ;) Eine Anzahl von Häusern wird ja dann wertvoll, wenn sie sich dort befinden, wo die Nachfrage und die Kaufkraft hoch ist.

Ich finde den Blick auf das BIP oder noch besser auf deren Entwicklung schon einen wichtigen Anhaltspunkt, denn mit wirtschaftlicher Macht ist durchaus auch politische Macht verbunden. Letztlich ist auch der Staatssozialismus an seiner wirtschaftlichen Ineffizienz gescheitert. Ich habe überlegt, ob ich in die Diskussion eines dieser animierten Videos reinstelle, wie sich das BIP (oder im englischsprachigen Raum GDP) in den letzten Jahrzehnten in den wichtigsten Ländern entwickelt hat. Ich finde man bekommt schon einen Eindruck, warum die USA insbesondere in der Nachkriegszeit in der westlichen Welt so dominant war.
Der Blick auf den BIP verschleiert den Blick auf andere Faktoren die derzeit wichtig aber kaum beachtet. In China und im Westen überaltert die Gesellschaft rasant. Alte Leute aber konsumieren eher wenig. Neue Impulse und Ideen für die Wirtschaft gehen von ihnen nicht aus. Und es fehlt jetzt schon deren Arbeitskraft. Zumindest im Westen. In China hat man neben den vielen Alten noch ganz andere Probleme. Die Verschuldung in den Kommunen und bei Privatleuten ist immens. Millionen von Chinesen haben wertlose Immobilien gekauft die zum Teil nicht mehr gebaut werden aber schon voraus bezahlt wurden. Viele scheinbar erfolgreiche Firmen leben nur durch Subventionen und staatliche Hilfen anderer Art. Es könnte schnell vorbei sein mit dem Anspruch auf eine Supermacht. Und Indien? Zu viele Menschen verursachen zu viele Probleme. Indien ist auf weiteres vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Klimakrise wird ihr übriges tun.

Es ist einfach zu viel in Bewegung um vernünftig die Zukunft zu prognostizieren.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#15

Beitrag von Einalem »

Alter Stubentiger hat geschrieben: 13. Aug 2024, 06:26
Es ist einfach zu viel in Bewegung um vernünftig die Zukunft zu prognostizieren.
Dem möchte ich zustimmen und deshalb fällt es mir auch schwer, hier konkrete Zukunftsgedanken aufzuschreiben.
Die "unipolare" Weltordnung scheint in meinen Augen auch nicht mehr zu stimmen. Insofern ja, wird es multipolar.
Aber anders als früher glaube ich, dass die meisten Kriege nicht mit Waffen, sondern mit Wirtschaftsgütern stattfinden werden.
Auch wenn wir in der Ukraine gerade das Gegenteil sehen. Fakt ist aber auch, dass sich Russland damit eher aufs Abstellgleis stellt.
Ein Krieg mit Waffen verbraucht zu viele Ressourcen und schwächt ein Land.

Welche Rolle hierbei die EU spielen wird, hängt sehr stark davon ab, wie wir auf die oben genannten Bewegungen reagieren und ob die richtigen Weichen gestellt werden können.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#16

Beitrag von Sittingnull »

Vor allem haben alte Leute keine Lust zum Krieg führen. Das schrieb auch Huntington in seinem Buch. Das war auch in der Geschichte so, Mächte mit alter Bevölkerung war Neuaufsteigern mit junger Bevölkerung stets unterlegen. Auch das spricht für dine multipolare Zukunft, Huntington sieht es auch so. Es wurde ihm vorgeworfen, er berücksichtige viele Gesellschaften nicht. Das war seine Absicht, er wollte Neuaufsteiger, mögliche Konkurrenten der USA untersuchen.
Streite dich nie mit einem Dummkopf. Es könnte sein, dass die Zuschauer den Unterschied nicht bemerken. Mark Twain
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#17

Beitrag von Alter Stubentiger »

Einalem hat geschrieben: 13. Aug 2024, 07:17 Dem möchte ich zustimmen und deshalb fällt es mir auch schwer, hier konkrete Zukunftsgedanken aufzuschreiben.
Die "unipolare" Weltordnung scheint in meinen Augen auch nicht mehr zu stimmen. Insofern ja, wird es multipolar.
Aber anders als früher glaube ich, dass die meisten Kriege nicht mit Waffen, sondern mit Wirtschaftsgütern stattfinden werden.
Auch wenn wir in der Ukraine gerade das Gegenteil sehen. Fakt ist aber auch, dass sich Russland damit eher aufs Abstellgleis stellt.
Ein Krieg mit Waffen verbraucht zu viele Ressourcen und schwächt ein Land.

Welche Rolle hierbei die EU spielen wird, hängt sehr stark davon ab, wie wir auf die oben genannten Bewegungen reagieren und ob die richtigen Weichen gestellt werden können.
Absolut. Was mir auch Sorgen macht ist dass Russland durch den Krieg soweit geschwächt wird dass es implodiert wie damals die UDSSR. Das äre dann nochmal richtig gefährlich weil da heute kein Gorbatschow im Kreml sitzt sondern jemand wie Putin.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#18

Beitrag von Bares »

Sittingnull hat geschrieben: 13. Aug 2024, 09:20 Vor allem haben alte Leute keine Lust zum Krieg führen. Das schrieb auch Huntington in seinem Buch. Das war auch in der Geschichte so, Mächte mit alter Bevölkerung war Neuaufsteigern mit junger Bevölkerung stets unterlegen. Auch das spricht für dine multipolare Zukunft, Huntington sieht es auch so. Es wurde ihm vorgeworfen, er berücksichtige viele Gesellschaften nicht. Das war seine Absicht, er wollte Neuaufsteiger, mögliche Konkurrenten der USA untersuchen.
Jetzt muss ich doch mal nachfragen, ist damit das Buch "Political Order in Changing Societies." von Samuel Huntington gemeint?
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#19

Beitrag von Einalem »

Alter Stubentiger hat geschrieben: 13. Aug 2024, 09:22 Absolut. Was mir auch Sorgen macht ist dass Russland durch den Krieg soweit geschwächt wird dass es implodiert wie damals die UDSSR. Das äre dann nochmal richtig gefährlich weil da heute kein Gorbatschow im Kreml sitzt sondern jemand wie Putin.
Implosion MIT Putin glaube ich fast nicht. Ich traue ihm nicht und würde nicht beschwören, daß er die Sache mit der Atombombe als reine Drohung belässt, im Falle einer ganz offensichtlichen Niederlage.
Solange es nicht dazu kommt, kann er mir seiner Propaganda immer zurückrudern. Soweit hat er sein Volk schon im Griff.
Falls er gestürzt werden würde, würde ich mir über einen potentiellen Nachfolger mehr Sorgen machen.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#20

Beitrag von Sittingnull »

Bares hat geschrieben: 13. Aug 2024, 18:59 Jetzt muss ich doch mal nachfragen, ist damit das Buch "Political Order in Changing Societies." von Samuel Huntington gemeint?
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Sittingnull
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#21

Beitrag von Sittingnull »

Einalem hat geschrieben: 13. Aug 2024, 19:09 Implosion MIT Putin glaube ich fast nicht. Ich traue ihm nicht und würde nicht beschwören, daß er die Sache mit der Atombombe als reine Drohung belässt, im Falle einer ganz offensichtlichen Niederlage.
Solange es nicht dazu kommt, kann er mir seiner Propaganda immer zurückrudern. Soweit hat er sein Volk schon im Griff.
Falls er gestürzt werden würde, würde ich mir über einen potentiellen Nachfolger mehr Sorgen machen.
Das Problem ist nicht Putin, sondern dass Verrückte in den Besitz von Atomwaffen kommen.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#22

Beitrag von Blechmann »

Bares hat geschrieben: 12. Aug 2024, 23:12 Ich sag mal Lage - Lage - Lage. ;) Eine Anzahl von Häusern wird ja dann wertvoll, wenn sie sich dort befinden, wo die Nachfrage und die Kaufkraft hoch ist.

Ich finde den Blick auf das BIP oder noch besser auf deren Entwicklung schon einen wichtigen Anhaltspunkt, denn mit wirtschaftlicher Macht ist durchaus auch politische Macht verbunden.
Nur ging es mir um das "kaufkraftbereinigte BIP" und nicht das BIP an sich.
Letztlich ist auch der Staatssozialismus an seiner wirtschaftlichen Ineffizienz gescheitert.
Kaufkraftbereinigt dürfte das BIP pro Kopf der DDR so ähnlich gewesen sein wie das Deutschlands, wenn der Trabbi dann soviel Wert ist wie ein VW.
Ich habe überlegt, ob ich in die Diskussion eines dieser animierten Videos reinstelle, wie sich das BIP (oder im englischsprachigen Raum GDP) in den letzten Jahrzehnten in den wichtigsten Ländern entwickelt hat. Ich finde man bekommt schon einen Eindruck, warum die USA insbesondere in der Nachkriegszeit in der westlichen Welt so dominant war.
Diese Videos sind irgendwie faszinierend.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#23

Beitrag von Blechmann »

Bares hat geschrieben: 12. Aug 2024, 23:27Das ist jetzt natürlich die Frage, ob Russland und insbesondere auch China dann bereit wären, die Interessensphären der USA oder der EU genauso zu respektieren.
Natürlich nicht. Wenn Taiwan in der Interessensphäre der USA liegt, wo soll denn dann die chinesische Interessensphäre sein? Realistischer Weise würde China vielleicht Hawaii als Teil der US-Interessensphäre akzeptieren. Vielleicht Australien im Süden. Japan, möglicherweise.
Zum Beispiel wenn die USA sagt, dass Taiwan in ihrer Sphäre liegt, weil das Land den westlichen Wohlstand mit seinen High-Tech-Produkten sichert.
Diese Firmen werden doch jetzt schon auf Druck der USA in die USA verlagert. Falls China die weg bombt.
So kann man das auch nicht sagen. Zum einen war das eine Pufferzone für die Sowjetunion und zum anderen profitierte man auch von den wirtschaftlichen Fähigkeiten dieser Staaten und auch von einigen Rohstoffen, z.B. Uran.
Nach allem was ich gelesen habe, waren die alle ein Zuschuss-Geschäft.
Wenn es ihnen egal wäre, würde China nicht ihre Außenpolitik fahren, die durchaus auf gegenseitige Verständigung beruht und Zugang zu den Weltmärkten.
Doch. Die Welt mischt sich in die inneren Angelegenheiten Chinas ja nicht ein. Die können Millionen Uiguren in Konzentrationslager stecken und trotzdem gute Geschäfte mit dem Westen machen. Was die Welt dazu "sagt" ist China egal.
Diese "die" ist mir jetzt zu pauschal. ;) International gibt es zum Ukraine-Krieg schon unterschiedliche Ansichten. Ich sags mal so, Länder wie Georgien, Moldawien, aber auch Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan schauen sich schon genau an, was Russland mit der Ukraine macht. Wiederum fragt sich Syrien Assad, ob er noch mit Putins Unterstützung rechnen kann, wenn dieser mitten im Ukraine-Krieg steckt. Usw. Multipolar heißt eben auch viele einzelne Interessen und Befürchtungen, die zum Tragen kommen.
Mit Ländern meinte ich jetzt Länder die internationale Bedeutung haben. Bei Kleinstaaten an der russischen Peripherie ist das natürlich anders.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#24

Beitrag von Blechmann »

Sittingnull hat geschrieben: 13. Aug 2024, 09:20Vor allem haben alte Leute keine Lust zum Krieg führen. Das schrieb auch Huntington in seinem Buch. Das war auch in der Geschichte so, Mächte mit alter Bevölkerung war Neuaufsteigern mit junger Bevölkerung stets unterlegen.
Das ist eine Zirkeldefinition. Staaten mit junger Bevölkerung, die Mächten mit alter Bevölkerung nicht überlegen sind, sind ja keine Neuaufsteiger. Die Überlegenheit ist in der Definition von "Neuaufsteiger" bereits enthalten.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#25

Beitrag von Blechmann »

Alter Stubentiger hat geschrieben: 13. Aug 2024, 09:22Absolut. Was mir auch Sorgen macht ist dass Russland durch den Krieg soweit geschwächt wird dass es implodiert wie damals die UDSSR. Das äre dann nochmal richtig gefährlich weil da heute kein Gorbatschow im Kreml sitzt sondern jemand wie Putin.
Die UDSSR ist implodiert, weil die UDSSR sich gegen den russischen Nationalismus gestellt hat, um so viele Nicht-Russen inkludieren zu können. Russland ist dann quasi aus der UDSSR ausgetreten. Das wird Russland aber nicht passieren - also das implodieren.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#26

Beitrag von Bares »

Blechmann hat geschrieben: 13. Aug 2024, 20:29 Nur ging es mir um das "kaufkraftbereinigte BIP" und nicht das BIP an sich.

Kaufkraftbereinigt dürfte das BIP pro Kopf der DDR so ähnlich gewesen sein wie das Deutschlands, wenn der Trabbi dann soviel Wert ist wie ein VW.
Diese Rechnung könnte man aufstellen, wenn der Trabbi vergleichbar mit einem VW-Modell wäre. Aber das traf seit Ende der 60er Jahre gar nicht mehr zu. Ich weiß nur den Vergleich bei Farbfernseher: da gab man 6000 DDR-Mark aus, also so 6-8 Monatsgehälter, im Westen kam man mit deutlich weniger Gehältern hin. Anderes war natürlich "schrott"-billig, dank Subventionen. 5 Pf. für ein Brötchen, 20 Pf. für eine Flasche mit Trinkmilch in der Schule, 20 Pf. Porto für den Brief,
Blechmann hat geschrieben: 13. Aug 2024, 20:29 Diese Videos sind irgendwie faszinierend.
Na, immerhin. ;)
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#27

Beitrag von Alter Stubentiger »

Blechmann hat geschrieben: 13. Aug 2024, 20:55 Die UDSSR ist implodiert, weil die UDSSR sich gegen den russischen Nationalismus gestellt hat, um so viele Nicht-Russen inkludieren zu können. Russland ist dann quasi aus der UDSSR ausgetreten. Das wird Russland aber nicht passieren - also das implodieren.
Der derzeitige Nationalismus führt zu Spannungen mit den vielen nichtrussischen Völkern. Bei diesen Völkern wird das Kanonenfutter rekrutiert. Denkst du nicht dass dies folgen hat?
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#28

Beitrag von Blechmann »

Bares hat geschrieben: 13. Aug 2024, 21:55Diese Rechnung könnte man aufstellen, wenn der Trabbi vergleichbar mit einem VW-Modell wäre.
Deswegen überzeugt mich dieses kaufkraftbereinigte BIP nicht.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#29

Beitrag von Bares »

Blechmann hat geschrieben: 14. Aug 2024, 15:23 Deswegen überzeugt mich dieses kaufkraftbereinigte BIP nicht.
Das kann ich schon verstehen. Wobei die Unterschiede zwischen dem und den nominellem BIP zwar vorhanden und sichtbar, aber nicht riesig sind.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#30

Beitrag von Blechmann »

Bares hat geschrieben: 14. Aug 2024, 16:41Das kann ich schon verstehen. Wobei die Unterschiede zwischen dem und den nominellem BIP zwar vorhanden und sichtbar, aber nicht riesig sind.
Die sind riesig:

Im Jahr 2017 war Indien mit einem BIP von 2.653 Milliarden US-Dollar die sechstgrößte Wirtschaftsmacht weltweit; in Kaufkraftparität (bereinigt für einheimische Preise) betrug das BIP 9.597 Milliarden Internationale Dollar (eine von der Weltbank berechnete Vergleichswährung)... https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... B6%C3%9Fte

Sprich Indien hat das vierfache BIP durch einberechnete Kaufkraftparität.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#31

Beitrag von Bares »

Blechmann hat geschrieben: 14. Aug 2024, 16:49 Die sind riesig:

Im Jahr 2017 war Indien mit einem BIP von 2.653 Milliarden US-Dollar die sechstgrößte Wirtschaftsmacht weltweit; in Kaufkraftparität (bereinigt für einheimische Preise) betrug das BIP 9.597 Milliarden Internationale Dollar (eine von der Weltbank berechnete Vergleichswährung)... https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... B6%C3%9Fte

Sprich Indien hat das vierfache BIP durch einberechnete Kaufkraftparität.
Okay, das war mir in Bezug auf Indien gar nicht so bewusst. Danke für den Hinweis.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#32

Beitrag von Bares »

Ich möchte in dieser Debatte die Frage nach dem "Abstieg des Westens" aufwerfen, wie ihr das seht. Vor allem ist mit der angestrebten Globalisierung, auch mit all seinen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Vorzügen, nicht auch der Grundstein für eine wachsende Bedeutungslosigkeit gelegt worden? Wirklich führend war Europa eigentlich nur in der Zeit der Kolonialisierung, aber da wollen wir sicher nicht wieder hin.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#33

Beitrag von Einalem »

Bares hat geschrieben: 14. Aug 2024, 16:57 Ich möchte in dieser Debatte die Frage nach dem "Abstieg des Westens" aufwerfen, wie ihr das seht. Vor allem ist mit der angestrebten Globalisierung, auch mit all seinen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Vorzügen, nicht auch der Grundstein für eine wachsende Bedeutungslosigkeit gelegt worden? Wirklich führend war Europa eigentlich nur in der Zeit der Kolonialisierung, aber da wollen wir sicher nicht wieder hin.
Und ich glaube an genau dieser Entscheidung steht der Westen gerade. Es können Weichen gestellt werden, um eben nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden oder aber Gegenteilige.
Meinem Gefühl nach, wird gerade damit gerungen, welche Weichen zielführend sind und welche nicht. Und wie viel man dafür einsetzen möchte. An Geld, Glaubwürdigkeit und Zustimmung der Bevölkerung.
Meiner Meinung nach, ist die Idee, wieder mehr klein klein innerhalb Europas, wie die von Le Pen in Frankreich, ein direkter Weg in die Bedeutungslosigkeit.
Wahrscheinlich stimmt der Satz: "Geld regiert die Welt" heute mehr denn je. In einer Zeit, in der jeder Krieg immer noch schlimm ist, aber es doch lange Strecken ohne Krieg gab und hoffentlich wieder geben wird, ist die Stärke eines Landes oder einer Gemeinschaft wie "dem Westen" nicht die militärische Stärke (die man trotzdem als Abschreckung auch braucht) sondern die Wirtschaftsgüter, mit denen man sich Alleinstellungsmerkmale erschaffen kann und dadurch Macht erlangt.
Wirklich ernst zu nehmend wird Europa (und ja, ich sehe das ohne Amerika mit zu denken) nur bleiben, wenn wir NICHT abhängig von anderen Mächten bleiben sondern uns nicht erpressbar werden lassen.
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Re: KW33/2024 - Die Multipolare Weltordnung und der Abstieg des Westens.

#34

Beitrag von Bares »

So, die Woche ist wieder zu Ende und damit auch das Thema der Woche. Danke an alle Beteiligten für die konstruktive Diskussion. Thread wird wieder geschlossen.
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